Alte Musik am Scheideweg
Seit ihren Anfängen im 19. Jahrhundert steht die „historische Aufführungspraxis“ im Spannungsfeld von Wiederentdeckung und Protest. Einerseits sucht sie die möglichst exakte Rekonstruktion der Musikgeschichte (etwa mit historischem Instrumentarium und Spielweisen), andererseits die bewusste Abgrenzung zu anderen Aufführungspraktiken alter Musik.
War sie mit ihren Ideen und Methoden lange Zeit ein Außenseiter im klassischen Musikleben, zum Beispiel mit ihrer betont basisdemokratischen Struktur fernab eines Dirigenten- und Solistenkultes, ist sie heute im Kulturleben akzeptiert. Die Kontroversen insbesondere der letzten Jahrzehnte zwischen Vertretern und Gegnern sind weitgehend gefochten, sie ist im Mainstream angekommen. Sie ist zu dem geworden, gegen das sie einmal war. Doch was bedeutet das für ihre Zukunft? Was passiert, wenn die Quelle des Protests versiegt, die Feindbilder verschwinden? Welche Be- sonderheit bleibt der historischen Aufführungspraxis, wenn sie womöglich nichts Besonderes mehr ist?
Diesen Fragen möchte sich eine mehrteilige Gesprächsreihe mit Vertretern aus Musikwissenschaft, Musikwirtschaft und Musikpraxis widmen.
