Concerto Köln und Belle Époque
Wie klingt Romantik? Wie haben Schumann, Wagner und Tschaikowsky selbst, die Säulenheiligen unseres heutigen Konzertbetriebs, ihre Musik gehört?
Spätestens seit der im Feuilleton enthusiastisch gefeierten Aufführung von Wagners „Rheingold“ mit Concerto Köln und Kent Nagano gehört der Kölner Romantik-Klang zum Aufregendsten, was die historisch-informierte Szene zu bieten hat.
Concerto Köln, bekannt für seine frischen und frappierenden Interpretationen im barocken und klassischen Repertoire, spielt Richard Wagner - wie passt das zusammen? Pioniertat oder Provokation?
Noch nie wurden Wagners Vorstellungen von Gesangstil, Aussprache und Tempokonzeption so ernst genommen wie im wissenschaftlich-künstlerischen Projekt „Wagner-Lesarten“ von Concerto Köln: Nicht nur der Farbreichtum im Orchester dank der originalen Instrumente und historischen Spieltechniken, sondern auch die konsequente Unterscheidung zwischen dem von Wagner immer wieder vehement eingeforderten rezitativischen Sprechgesang und einem kantablen Gesangsstil, führt direkt wahrnehmbar zu einer um ein vielfaches gesteigerten Dramatisierung der gesamten Partitur.
Hieran anknüpfend möchte Concerto Köln diesen neuen Zugang auch auf andere Musik der Epoche übertragen: „Belle Époque“ - Romantik, die hörbar anders klingt!
„Belle Époque“ - das Programm
Spätestens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der kulturelle Führungsanspruch der Paläste und Residenzen gebrochen. Es war die große Zeit der großbürgerlichen Salons, der Ateliers und Galerien; es war der Durchbruch einer bürgerlichen Musikpflege in Konzertsaal, Theater und Oper. Die Avantgarde war nicht mehr adelig, sondern sie traf sich diskutierend und Absinth trinkend in den Cafés in Paris und Wien, gründete Künstlerkolonien und praktizierte alternative Konzepte des Zusammenarbeitens und -lebens.
Es war die Zeit der bedeutenden Erfindungen und der industriellen Revolutionen. Der technische Fortschritt und die günstige Produktion von Dingen des täglichen Bedarfs ermöglichten dem aufstrebenden Bürgertum ein Leben in Wohlstand und Freiheit. Erstmals war Freizeitgestaltung ein Thema für viele, das sich in Modebewusstsein, zunehmender Reisetätigkeit, Ausstellungs- und Konzertbesuchen äußerte und bald weitere Bedürfnisse weckte.
Die großen Weltausstellungen (von der erste Weltausstellung in London 1851 über die berühmte Ausstellung in Paris 1889) dienten nicht zuletzt dem Zweck, den eigenen nationalen Fortschritt und - im Bereich der Künste - den Führungsanspruch der jeweiligen nationalen Schule herauszustellen und in Konkurrenz mit anderen Ländern zu sehen.
Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass die verschiedenen Wellen der Industrialisierung große Bevölkerungsteile ins Elend rissen. Belle Époque heißt auch: Die virtuos-verträumten Nocturnes des Salonlöwen Chopin und die Aufstände der verzweifelten schlesischen Weber - Elgars elegante Streicherserenade und die von Typhus und Tuberkulose dahingerafften Arbeiter der englischen Textilindustrie - all dies fand zeitgleich statt!
In diesen Spannungskontext setzt Concerto Köln sein neues Programm mit der mitreißenden Streicherserenade von Tschaikowsky und der melancholischen Musik Elgars kombiniert mit unbekannteren Klängen von Liszt, Wagner und Debussy.
Programm:
Edward Elgar: Streicherserenade e-Moll op. 20 · Sospiri op. 70
Franz Liszt: Am Grabe Richard Wagners
Richard Wagner: In das Album der Fürstin Metternich WWV 94
Claude Debussy: Danse sacrée · Danse profane
Peter Tschaikowski: Streicherserenade C-Dur op. 48
Ausführende:
Shunske Sato - Violine & Leitung
Concerto Köln